Awarenesskonzept

Awareness Konzept Altstadtschmiede e.V.

  1. Was ist Awareness und warum brauchen wir sie?
  2. Grundsätze der Awarenessarbeit
  3. Geltungsbereich
  4. Richtlinien
  5. Maßnahmen auf Veranstaltungen
  1. Anhang
  2. Anlaufstellen
  1. Was ist Awareness und warum brauchen wir sie?

Awareness = das Bewusstsein

to be aware = sich bewusst sein

Awareness bedeutet, einen rücksichtsvollen, verantwortungsbewussten und solidarischen Umgang miteinander zu etablieren und zu pflegen. Als Team der Altstadtschmiede wollen wir (Frei-)Räume für unterschiedliche Gruppen und Communities schaffen, in denen sie sich entfalten und stärken können. Wir sind uns bewusst, dass Awareness ein fortlaufender Prozess ist, mit dem wir uns stetig auseinandersetzen wollen und müssen.

Mit Awareness-Arbeit lernen wir gemeinsam, sensibel zu sein. Dadurch sollen Menschen, die Verletzungen erleben, ein Hilfsangebot erhalten, um in ihrem Umgang mit diesen Erfahrungen unterstützt zu werden. Lösungen werden nur mit ihnen gemeinsam gefunden. Statt Ohnmacht zu fühlen, können so eigene Entscheidungen getroffen und auf Grenzüberschreitungen reagiert werden.

In der Altstadtschmiede wollen wir alle zusammen eine gute Zeit haben, deswegen möchten wir unsere Veranstaltungen so diskriminierungsarm wie möglich gestalten. Jeder Mensch hat individuelle Grenzen. Diese einzuhalten und zu respektieren ist für uns sehr wichtig – und dafür sind wir alle (Team wie Besuchende und Künstler*innen) verantwortlich.

Unser Leitfaden bzw. unser Konzept soll dazu beitragen, dass Betroffene weiterhin in unseren Räumen bleiben können/wollen – Ausübende aber gehen müssen.

Wir freuen uns über konstruktive Kritik, Ideen und Feedback.

Safe Space vs Safer Space

Sogenannte Safe Spaces sind Räume (physisch oder digital), in denen sich alle Besuchenden sicher fühlen sollen. Sie sollen dort weder die Sorge haben Diskriminierung oder Übergriffe zu erfahren, noch diese wirklich erleben. Gleichzeitig soll es ein Ort sein, um dort ihre Diskriminierungserfahrungen zu teilen und sich gegenseitig zu empowern. Bei der Formulierung Safer Space gehen wir davon aus, dass es keine gänzlich sicheren Räume gibt, dieser Raum aber sicherer gestaltet wird, als die normale, alltägliche Umwelt (z.B. durch Schulungen des Teams, durch Awareness Teams, etc.)

Beispiele für Diskriminierungsformen im Kontext von Veranstaltungen

Kinderbetreuung

Zum Beispiel verzichten vielleicht alleinerziehende Personen auf Abendveranstaltungen, um besser bezahlte Spät-/Nachtschichten zu übernehmen oder können nicht teilnehmen, weil keine Kinderbetreuung angeboten wird.

Toiletten

Der Gang zur Toilette kann für einige Menschen zum Problem werden, wenn es nur Aufteilung in „Männer“ und „Frauen“ gibt, Menschen sich aber weder der einen noch der anderen Kategorie zuordnen können oder wollen. Oder aber sie von anderen Menschen aufgrund ihres Erscheinungsbildes einer anderen Kategorie zugeordnet und entsprechend kommentiert werden. Gewalterfahrungen auf öffentlichen Toiletten sind vor allem für trans* und intergeschlechtliche Personen Realität.

Sexualität/Zuneigung

In einem heteronormativen Umfeld, indem z.B. Homosexualität als nicht “normal” angesehen oder wahrgenommen wird, hat das auch in Recklinghausen zur Folge, dass es Menschen gibt, die in der Öffentlichkeit mit ihren Partner*innen keine Zärtlichkeiten austauschen würden.

Oberkörperfrei?

Nicht alle Menschen können ihr Shirt in der Öffentlichkeit einfach so ausziehen – jedenfalls nicht ohne eine negative Resonanz befürchten zu müssen. Das Ganze könnte sogar geahndet werden, denn das Entblößen einer weiblich gelesenen Brust – als sexualisiertes Körperteil – ist eine Ordnungswidrigkeit. Aus Solidarität können wir alle unsere Shirts anlassen.

  • Grundsätze der Awarenessarbeit


Grenzüberschreitungen gibt es überall – auch hier in der Altstadtschmiede kann es zu grenzüberschreitendem Verhalten kommen. Lasst uns gemeinsam jeglicher Art von Diskriminierung und grenzüberschreitendem Verhalten entgegentreten und jeder Person ermöglichen, sich bei uns in der Schmiede wohl zu fühlen.


Bei uns keinen Platz haben:
• Rassismus (Diskriminierung aufgrund rassifizierender Annahmen über Herkunft oder im Zusammenhang mit äußerlichen Merkmalen)


• Antisemitismus (Diskriminierung von jüdischen Personen, sowie Ablehnung des Jüdischen unter Verwendung von rassistischen Zuschreibungen und/oder Verschwörungsmythen)


• Sexismus (Diskriminierung aufgrund des Geschlechts)


• Queerfeindlichkeit (Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität)


• Ableismus (Diskriminierung gegenüber Menschen, denen körperliche und/oder geistigen Behinderungen und/oder Einschränkungen zugeschrieben werden)


• physische, psychische oder sexuelle Übergriffe


Wir halten uns an die von „safe the dance“ definierten drei Grundsätze der Awarenessarbeit:


1. Konsens bzw. Zustimmung
Individuelle Grenzen werden respektiert: Nein heißt immer nein! Und noch wichtiger: Nur ja heißt ja!


2. Definitionsmacht
Wo ein Übergriff beginnt, bestimmt immer die betroffene Person und sie hat das Recht, zu entscheiden, wie es nach dem Vorfall weitergeht.


3. Parteilichkeit
Die Wahrnehmung der betroffenen Person wird nicht in Frage gestellt – Solidarität steht an erster Stelle.


Wir wünschen uns ein respektvolles und solidarisches Miteinander, so dass wir alle eine gute Zeit in der Schmiede erleben können!

  • Geltungsbereich

Die Grundsätze und Maßnahmen für Veranstaltungen werden auf allen Veranstaltungen in der Altstadtschmiede angewendet. Dies gilt sowohl für Veranstaltungen, die von der Altstadtschmiede selbst, aber auch von Kooperationspartner*innen durchgeführt werden.

Kooperationspartner*innen werden vorab über das Konzept informiert. Die Zustimmung ist für uns verpflichtend.

  • Richtlinien

Wir sind uns bewusst, dass kein Ort komplett frei von Grenzüberschreitungen und Diskriminierungen sein kann. Um unserer Vision von einem sichereren Miteinander für alle näherzukommen, haben wir uns für die Entwicklung eines Awarenesskonzepts mit entsprechenden Richtlinien entschieden und setzen es in Form konkreter Awareness-Maßnahmen um.

Lautstärke? Auch wenn wir darauf achten, nicht “zu laut” zu werden, kann die Lautstärke bei uns (wie bei allen anderen Musikveranstaltungen) euer Gehör schädigen. Achtet bitte darauf, einen Gehörschutz zu tragen, wenn es euch zu laut wird oder fragt uns nach Ohrstöpseln.

Die Menstruation kickt unerwartet? Wir haben Hygieneartikel für Alle!

Freie Toilettenwahl: Bei uns gibt es Toiletten mit WC-Kabinen und Toiletten mit Urinalen. Mülleimer gibt es in jeder WC-Kabine, Hygieneartikel gibt es im Vorraum zu den Toiletten.

Du brauchst einen SaferSpace zum Umziehen und/oder Schminken? Sprich das Team gern an!

Auch in Recklinghausen gibt es Menschen die wenig Geld zur Verfügung haben. Wenn du anderen Menschen ein Getränk ausgeben möchtest, kannst du im Voraus bei unserem Thekenteam Getränke bezahlen. Wenn du gern Soli Getränke in Anspruch nehmen möchtest, sprich uns gern kurz an oder schick uns vorab eine Mail!

Schließe nicht vom äußeren Erscheinungsbild auf die Geschlechtsidentität einer Person. Nur weil du jemanden als männlich oder weiblich liest, bedeutet das nicht, dass sich diese Person dementsprechend identifiziert. Viele Menschen haben täglich damit zu kämpfen, dem falschen Geschlecht zugeordnet zu werden. Dies ist eine große psychische Belastung.  Frage nach den Pronomen, mit dem “er, sie they, dey, Name” angesprochen werden möchte.

Nur „Ja“ bedeutet „Ja“ – Respektiert die Grenzen der Anderen und achtet darauf, diese nicht zu überschreiten. Es gilt das Konsensprinzip. Kleidung ist kein Konsens! Nur weil jemand viel Haut zeigt, bedeutet das nicht, dass diese Person gerne (Körper-)Kontakt möchte.

Wir haben keine Toleranz für psychische und physische Gewalt. Wer sie ausübt oder androht, wird mit sofortiger Wirkung und ohne Erstattung des Eintrittspreises von der Veranstaltung ausgeschlossen.

Raum für alle! Aber:  Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit, Ableismus haben bei uns keinen Platz!

Hilfe bekommt man immer – Der Konsum illegaler Drogen sowie Cannabis ist auf unserem Gelände untersagt. Sollten sich mit diesen in Verbindung stehende Notfälle ergeben, scheut euch trotzdem nicht davor, uns Bescheid zu geben und bei Bedarf direkt den Notruf zu wählen.

Wir bitten dich: wenn du siehst, dass es einer Person gesundheitlich schlecht geht, biete der Person Hilfe an.

Du fühlst dich nicht wohl, unsicher, bedroht oder bedrängt? Sprich unser Team direkt an. Du kannst uns auch im Nachhinein eine E-Mail schreiben. (awareness@altstadtschmiede.de) Oder du hast den Eindruck, dass es einer anderen Person so geht? Check deine Kapazitäten, ob du selbst bei der Person nachfragen kannst (lieber einmal zu viel fragen, als einmal zu wenig) und hol dir sonst Hilfe bei unserem Team. Wird deine Hilfe abgelehnt, respektier dies bitte. Auch ein Hilfsangebot kann übergriffig sein.

Unser Awareness-Konzept ist ein fortlaufender Prozess – wir freuen uns über konstruktive Kritik / Rückmeldung an : awareness@altstadtschmiede.de

  • Maßnahmen auf Veranstaltungen

Allgemein werden unsere Veranstaltung so geplant und durchgeführt, dass möglichst keine Diskriminierung oder Benachteiligung jeglicher Art gefördert wird oder durch die Veranstaltenden stattfindet. Wir sind uns aber bewusst, dass unsere Perspektiven in der Planung nicht immer allumfassend sind – für jede Veranstaltung ist es daher möglich, vorab mit Anfragen und Absprachen für zusätzliche Maßnahmen auf unser Team zuzukommen. Wir setzen gerne um, was im Rahmen unserer Möglichkeiten liegt.

Wir werden nach und nach unser gesamtes Team, das an Veranstaltungen beteiligt ist, im Bereich Awareness schulen und als Unterstützer*innen ausbilden lassen, sodass sie als qualifizierte Ansprechpartner*innen dienen können.

Ansonsten gilt bei Veranstaltungen in unserem Haus:

Bei öffentlichen Veranstaltungen bis 120 Personen (Veranstaltungen im Schmiede Raum)

  • Muss bei der Erstellung des Schichtplans darauf geachtet werden, dass genügend Personen eingeplant werden, sodass immer eine Person als Awarenessansprechpartner*in fungieren kann
  • Sofern das im Rahmen der Umsetzbarkeit ist, wird der Schichtplan gemischtgeschlechtlich aufgestellt.
  • Muss über Aushänge auf die Richtlinien hingewiesen werden
  • Müssen die Notfallkontakte zu Hilfsangeboten bereit liegen und ausgehändigt werden können

Bei öffentlichen Veranstaltungen über 120 Personen (Veranstaltungen auf dem gesamten Schmiede Gelände)

  • Muss ein Awareness Team, das optisch z.B: durch T-Shirts erkennbar ist, vor Ort sein
  • Muss ein Rückzugsraum für Teilnehmer*innen, denen es nicht gut geht, zur Verfügung gestellt werden, um ihnen Ruhe zu verschaffen und ggf. Situationen zu deeskalieren. Der Ort darf an diesem Tag für keine anderweitigen Zwecke verwendet werden und muss grundlegende Ausstattung wie Wasser und Decken enthalten.
  • Sofern das im Rahmen der Umsetzbarkeit ist, wird der Schichtplan gemischtgeschlechtlich aufgestellt.
  • Muss über Aushänge auf die Richtlinien hingewiesen werden
  • Müssen die Notfallkontakte zu Hilfsangeboten bereit liegen und ausgehändigt werden können

Was bedeutet das Ganze in der Praxis? Was bedeutet das für die Altstadtschmiede?

Auch, wenn wir einen möglichst sicheren Veranstaltungsort für alle schaffen möchten, sind wir uns bewusst, dass Verletzungen auch ungewollt geschehen oder Grenzen ohne böse Absicht überschritten werden können. Wir vertreten die Haltung, dass Personen sich nicht immer aller Grenzen bewusst sind und somit Verletzungen nicht immer böswillig hervorrufen.

Bei direkter Adressierung verletzender Inhalte an eine Person, möchten wir, solange es nach Einschätzung der von der Verletzung betroffenen Person keine böswillige Absicht gab, den Dialog suchen und ins Gespräch gehen, über Grenzen aufklären.

Werden im Nachgang die Grenzen dann mutwillig wiederholt überschritten, tolerieren wir dies nicht und wir sehen uns zu einem Hausverbot für den selbigen Tag oder auch für längere Zeit gezwungen – ohne den Eintrittspreis zurückzuerstatten. Gleiches gilt, wenn jemand wahllos seine Meinung lautstark im Raum kundtut, diese aber gegen das Awareness-Konzept verstößt, ohne dabei einzelne Personen direkt anzusprechen.

Achtet bitte auf eure eigenen Grenzen und auf die der anderen 🙂

  • Anhang

Anlaufstellen

Frauenberatungsstelle Recklinghausen:                         02361 15457
                                     
Frauenberatungsstelle Recklinghausen e. V.
                                      Springstraße 6
                                      45657 Recklinghausen

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen:                          08000 116 016

BackUp – Beratung für Opfer rechtsextremer,

rassistischer und antisemitischer Gewalt:               0231 95652484

                                      BackUp-ComeBack e.V.
                                      Stefanstraße 2

                                      44135 Dortmund


 Männerberatungsstelle:                                           0151 / 25 34 34 44

                                     Netzwerk Echte Männer reden.

                                      Caritasverband Herten

                                      Hospitalstraße 11

                                      45699 Herten

Antisemitismusbeauftragte NRW:                                     0211 83 71 555


Hilfe Telefon Sexueller Missbrauch:                       0800 22 555 30


Weisser Ring:                                                    0151 / 55164749